22.1.10

kerala: kochi und die backwaters

hallo zusammen! nachdem wir also mit dem bus im morgendlichen kochi (bzw. in ernakulam, dem stadtteil aufm festland) angekommen waren, brachte uns eine lokale faehre fuer den unschlagbaren preis von 2,50 Rs. (3 ct.) ueber die moskitoverseuchten binnengewaesser der stadt zur halbinsel von fort cochin, wo wir ziemlich schnell eine unterkunft in einem "home stay" etwas suedlich der altstadt fanden. home stays findet man in kerala ziemlich haeufig, sie sind meistens eher preiswert, ziemlich sauber und irgendjemand ist immer erreichbar, weil die leute halt dort wohnen. in unserem fall handelte es sich um zwei aeltere leutchen, oma und opa, die jeden abend gemeinsam auf der couch neben der haustuer sassen und rosenkraenze beteten.

der touristische teil von kochi (also die altstadt) besteht aus etwa sechs, sieben strassen, die ziemlich gut von westlern besucht und auch dementsprechend teuer sind. wir nahmen unser fruehstueck (gebaeck und chai) daher meistens am snackwagen an der strassenecke zu uns, bezahlten 60 cent und waren auch satt und zufrieden. mittag gabs dann in einer dhaba (einer art indischen kantine) fuer nen euro zwanzig fuer beide. dhabas haben es allerdings so an sich, dass man eigentlich nicht selber entscheiden kann, was es gibt. man setzt sich, kriegt ein bananenblatt hingeklatscht und darauf landen dann reis, dhal, verschiedene gemuese usw., manche sehr lecker, manche eher nicht. dafuer kriegt man aber so viel nachschlag, wie man will.

vascos "grab".

kochi ist bekannt als die aelteste europaeische siedlung indiens, was sich heute nur noch an der st. francis church sehen laesst, die 14 jahre lang den toten vasco da gama, also den personifizierten europaeischen entdeckerdrang, beherbergte. das grab ist auch heute noch da (eingezaeunt als schutz gegen muede koreaner, die sich gerne mal auf einen grabstein setzen) und wird von einheimischen schulklassen und touristen besucht. vasco dagegen hat man nach seinem tod zurueck nach lissabon gebracht. kochi hat trotzdem einige eigenarten, die es noch heute europaeischer als restindien erscheinen lassen. die haeuser sind klein und haben spitzdaecher, die stadt ist relativ sauber (von ein paar dreckecken abgesehen), es gibt weniger kuehe auf der strasse (dafuer aber ziegen) und selbst die muezzine rufen synchron (nicht bunt ueber den tag verteilt, wie in anderen staedten).

europaeischer, wie gesagt.

die cochin-juden, deren aelteste vorfahren je nach auffassung vor 2500 bis 1500 jahren in indien ankamen, werden von kerala als aushaengeschilder der indischen toleranz gegenueber anderen religionen und voelkern angesehen. tatsaechlich wurden sie mit offenen armen empfangen und hatten ueber einige jahrhunderte an der hiesigen malabar-kueste sogar einen eigenen staat. die einzigen, die ihnen probleme bereiteten, waren europaeer. naemlich katholische portugiesen, die hunderte cochiner juden toeteten und ihre synagogen zerstoerten. heute gibt es nur noch eine handvoll juedischer einwohner, da die meisten dem ruf israels gefolgt sind, was man ihnen aufgrund der besseren wirtschaftlichen situation und der unmoeglichkeit, in der hiesigen juedischen gemeinde noch einen lebenspartner zu finden, auch kaum veruebeln kann.

die blauen kacheln in der alten synagoge von kochi. laut salman rushdie sollen sie die zukunft vorhersagen koennen und ihre gestalt veraendern. wer weiss...

im juedischen viertel. oben: der glockenturm der synagoge.

das juedische viertel wird heute von geschaeftstuechtigen kaschmiris "besetzt" gehalten, die einem allen moeglichen mist, den man auch ueberall woanders in indien kaufen kann, der aber angeblich typisch keralisch ist, andrehen wollen. die alte synagoge aus dem 16. jahrhundert ist mit handbemalten fliesen aus china ausgelegt, von denen keine genauso ist, wie die andere. eine ironie der geschichte ist ein motiv, das (sehr versteckt) das typische indische glueckssymbol, das hakenkreuz, zeigt. vermutlich ein unikum. draussen stehen einige verlorene grabsteine mit hebraeischer aufschrift herum; der nahegelegene juedische friedhof ist fuer besucher geschlossen. auf dem rueckweg in die altstadt erkundeten wir noch ein paar alte gewuerzhandelshoefe, die heute immer noch aktiv sind und vorwiegend vom export (nicht von touris) leben. eine schoene erfahrung, wenn ihr euch vorstellt, dass es an jeder ecke nach kardamom, pfeffer, chilli, ingwer, nelken usw. riecht.

hier liegt in kokosmilch eingelegter ingwer zum trocknen. gewendet wird er uebrigens mit den fuessen, falls das jemanden interessiert.

ein schoenes fotomotiv und eine art technisches museum sind die chinesischen fischernetze an der hafeneinfahrt von kochi. diese geraete wurden bereits vor ein paar hundert jahren gebaut, und mithilfe von gewichten und gegengewichten (steine) bedient. am ende des langen armes, der wie bei einem katapult auf einem gestell angebracht ist, befindet sich ein grosses fischernetz, dass auf diese art und weise von nur drei, vier maennern hoch- und runterbewegt werden kann. fuer indische verhaeltnisse ein beispielhafter fall von personalreduzierung. das anzuschauen ist ein muss fuer besucher.

chinesisches fischernetz.

eines tages fuellte sich die stadt dann mit bunt bemalten rikschas, die von weissen gefahren wurden. den ersten dreien folgten am naechsten morgen weitere 30. das waren die leute vom "rikshaw-run", einer art teurem abenteuer fuer alternative traveller, das daraus besteht, mit einer rikscha von der nepalesischen grenze bis nach suedindien zu fahren. zielpunkt war dieses jahr eben kochi. obwohl die idee recht abenteuerlich klingt, halten wir das ganze fuer eine masche, um schnell geld zu verdienen. der organisator bekommt naemlich von jedem team 1000 euro, und am ende darf man die rikscha nicht mal behalten.

eine der abenteuerrikschas.

sonnenparty (siehe unten).

ab und an fuhren wir mal nach ernakulam herueber, wo man billiger essen und trinken kann und gaben uns sogar zehn minuten eines anglikanischen gottesdienstes in der furchtbar kitschigen basilika von kochi, bevor wir vor den keyboardklaengen und dem etwas schraegen chor flohen. und wir gaben uns endlich mal dem totalen shopping-erlebnis hin, nachdem wir mit unserem rikscha-fahrer einen deal ausgemacht hatten. er wuerde uns ueberall hinbringen, wir muessten uns dafuer nur fuenf shops ansehen, von denen er kommission bekommt. und so liessen wir eine scheinbar endlose reihe von kaschmir-teppichen, marmor-elefanten, juwelen, bidri-skulpturen (kupfer mit silberinlets), shawls, schachspielen und "antiquitaeten" an uns vorbeiziehen, bevor wir die stadt - unseren klaren favoriten in indien bis jetzt - verliessen. gekauft haben wir allerdings nichts.

der kommunismus lebt! gut, hier gerade nicht.

mit dem bus ging es am 18. januar in anderthalb stunden nach alappuzha (aleppey), eine kleine stadt zwischen dem meer und den backwaters, die gelegentlich (von der tourismusbehoerde) etwas beschoenigend "venedig des ostens" genannt wird. wir halten das bei zwei kanaelen fuer ein bisschen uebertrieben. trotzdem es hier beinahe nichts interessantes zu sehen gibt, bleiben wir zwei naechte in einem home stay, das von zwei bruedern (beide mitte zwanzig) betrieben wird und ziemlich gemuetlich ist.

hier faellt uns auch ein amuesanter reisefuehrer ("frommer's") in die hand, der offenbar fuer reiche, aengstliche amis geschrieben wurde. demzufolge sollte man niemals street food anruehren (siehe oben), auf jeden fall aufpassen, dass der chai-wallah seine glaeser immer mit heissem wasser abspuelt (als ob der ne warmwasserleitung haette) oder einen eigenen chai-becher mitnehmen, unter keinen umstaenden auf oeffentliche toiletten gehen (sondern immer in 5-sterne-hotels) und diese hotels moeglichst auch fuer fruehstueck, mittag und abendbrot aufsuchen. sehr lustig zu lesen. bei einem buch, dessen erster satz da lautet "wir haben eine menge wunderschoener plaetze fuer sie zusammengesucht: hotels, restaurants, shops und viele mehr", wundert einen nichts mehr. unsere magenprobleme kamen uebrigens immer von empfohlenen, guten restaurants, nie von street food oder chai.

hausboote vor anker.

am mittwoch vormittag stiegen wir in die lokale faehre, die uns durch das gewirr der backwaters nach kottayam an der bahnstrecke nach sueden bringen sollte. ein paar andere touristen waren auch noch dabei, ansonsten keralis, die von dorf zu dorf fuhren. die faehre haelt naemlich aller paar minuten auf einem der kleinen inselchen des hinterlandes an, und ein paar leute steigen ein und aus. die backwaters sind so eine art zu gross geratener, tropischer spreewald, mit zahllosen grossen und kleinen fliessen, die sich die schlanken boote der einheimischen mit den von reichen westlern gemieteten fetten hausbooten und den faehren teilen. links und rechts der kanaele standen die kleinen haeuser meistens auf schmalen daemmen, hinter denen sich reisfelder befanden. gleich hinter alappuzha sahen wir ausserdem eine menge der beruehmten hausboote (kettuvalam), manche von ihnen schwimmende palaeste. mit der zeit waren davon allerdings weniger zu sehen, da es sich um ein ziemlich teures abenteuer handelt und dieses jahr ohnehin weniger reiche touristen hier unterwegs sind.

im keralischen spreewald.

zugbruecke und die pest der backwaters: afrikanisches wassermoos.

unter ein paar zugbruecken und durch einige kleine doerfchen hindurch fuhren wir in reichlich drei stunden bis nach kottayam. ueberall waren die roten fahnen mit hammer und sichel auf halbmast gesetzt, um dem verstorbenen patriarchen der kommunistischen partei, jyoti basu, ehre zu erweisen. den nachrufen zufolge, die ueber tage hinweg die hiesigen zeitungen fuellten, war basu einer der wenigen politiker indiens, der konsequent und unbestechlich seinen weg gegangen ist, einer der groessten des landes, ein guter kommunist und bis ins hohe alter (immerhin 95) fit und politisch aktiv. was davon nun wahr ist und was nicht; jedenfalls hat er aktiv gegen die korruption gekaempft und war fast 25 jahre lang premier von westbengalen. beides ist in indien schon eine grosse leistung.

trauerbeflaggung fuer jyoti basu.

in kottayam uebernachteten wir in einer art englischem landhaus, das etwas ausserhalb der stadt in einer ruhigen gegend nahe an einem breiten, langsamen fluss gelegen ist. zwar reizten wir hier unser tagesbudget etwas sehr aus, dafuer bekamen wir aber (als einzige gaeste) ein traumhaftes abendbrot mit gebratenem flussfisch im bananenblatt, reis, gemuese, eingelegten mangostuecken, verschiedenen saucen und bier ins wohnzimmer gebracht. das fruehstueck war aehnlich ueppig. gut gefuellt und um einige hundert rupien aermer begaben wir uns zum bahnhof, um weiter nach sueden, nach varkala, zu fahren.

5 o'clock - tea time. die koechin bereitet derweile den fisch zu.

faehre (von der regierung gesponsert).

varkala liegt an einem schoenen kuestenabschnitt mit steilen klippen und ist selber total von travellern und pauschaltouristen ueberlaufen. einem tipp folgend, fuhren wir mit der rikscha in ein kleines doerfchen noerdlich der stadt, odayam, wo wir jetzt fuer 3,50 euro etwa 200 meter vom strand inmitten eines palmenhaines uebernachten.

heute haben wir uns an den lokalen brauch des subbotnik gehalten - wir sind ja immernoch in kerala - und waehrend unsere indischen nachbarn im palmenhain herumkletterten, um die baeume von abgestorbenen palmwedel und fauligen kokosnuessen zu befreien, war fuer uns waschtag.

waschtag.

am dienstag fahren wir dann endlich an die suedspitze, womit die reise der sonne entgegen zum schluss kommt. ab dann kommen wir euch zuhause nur noch naeher. tschuess!

6 Kommentare:

  1. Jeaaah! Wieder Erste!... dank Insidertipp!
    Danke wieder für den tollen Bericht (vor allem auch für den Exkurs über die Cochin-Juden!!) Die allerliebsten Grüße aus Jeßnitz!
    Anna

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  2. Oh, das war wieder schön, von euch zu lesen und die virtuelle Entfernung etwas zu verkürzen. Beste Grüße aus Kromsdorf, wo ich gerade bin. Und immer wieder toll, dass man an allen Stellen dieser Welt euch nahe sein kann. Lasst es euch gut gehen und schön, dass ihr ab jetzt uns wieder näherkommt (kilometermäßig). Übrigens, neueste Wiesnernachricht: Sebastian heiratet im Sommer.
    Liebe Grüße Mario

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  3. Was ich mich die ganze Zeit schon frage: ist das pinke Tuch auf der Leine von euch?? Toll! :)
    anna

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  4. Liebe Lenka, zu Deinem Geburtstag übersenden Dir herzliche Glückwünsche und viele Grüße Dein Opa Jochen und Eva.
    Wir wünschen Dir noch viele eindrucksvolle Erlebnisse und Erkenntnisse sowie weiterhin viel Freude bei dieser Exkursion. Wir sehen uns zu Papas 50. Geburtstag, da hast Du sicher viel zu erzählen. Wir sind gespannt!

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  5. Auch von mir alles gute und weiterhin viel Spaß!!

    gruß Matthi

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