19.3.10

taj mahal - das ende der reise


mittwoch abend sind wir - nach langer bahnfahrt und einem vormittaeglichen zwischenstopp am taj mahal in agra - wieder in delhi angekommen. damit ist der kreis geschlossen und wir ab dienstag wieder live und in farbe zuhause zu erleben. bis dann!

15.3.10

rock'n'roll sikkim, heilige stadt und stiller tod

namaste miteinander. wieder sind zwei wochen vergangen - beinahe unsere letzten im besten land unter der sonne (unvoreingenommene indische meinung). wir haben uns noch ein wenig im schatten der kanchenjunga im kleinen staat sikkim umgesehen und sind dann durch die breite ebene des ganges - mit zwischenstopp in varanasi - weit nach westen, genauer nach bhopal gefahren.

beginnen wir aber in darjeeling, wo wir unsere zeit ueberwiegend mit ausgedehnten spaziergaengen in den weiten teeplantagen und besuchen im kleinen zoo (spezialitaet: schneeleopard und roter panda) sowie im himalayan mountaineering institute totschlugen. letzteres widmet sich zwar vor allem den bergen in indiens nachbarlaendern - die allerdings auf der reliefkarte gerne mal indien zugeschlagen werden - bot aber mit einem originalgetreu nachgebauten hoehencamp, vielen bildern und dem eispickel von tenzing norgay (everest-erstbesteiger) einen ganz interessanten einblick in die etwas verrueckte bergsteigerwelt.

teeplantage vor...

...und nach der ernte.

mitten in darjeeling erwischte uns am 1.3. das farbenfest holi, was von hindus normalerweise dazu genutzt wird, hemmungslos wildfremde leute mit wasserfarbe zu bespritzen oder auch - sonst eher ungewoehnlich - einfach mal zu flirten. da darjeeling allerdings eher von nepalischen als von "richtigen" hindus bewohnt wird, war ausser einigen bunten kindern, hunden und ziegen nicht viel von der ausgelassenheit zu bemerken. dennoch ein wichtiger tag fuer uns und die menschheit, da uns ein junger gurkha in das gut gehuetete geheimnis der schweinegrippe einweihte. demnach ist es naemlich so, dass h1n1 durch den verzehr eines ekligen, kommunistischen kolkata-huehnchens uebertragen wird. wie uns unser freund sehr bildhaft darstellte, geht es dem betroffenen uebel und immer schlechter, bis er schliesslich sogar sterben kann. hier tritt nun das einzig wahre heilmittel auf den plan: eine gefluegelsuppe. einfache loesung, ist ja auch bei uns schon seit jahrhunderten gegen erkaeltungen im gebrauch. allerdings darf es um himmels willen kein kolkata-huhn sein, das im topf landet. die heilung bringt einzig und allein das gurkha-huhn - jenes, welches bevorzugt in darjeelings offenen abwassergraeben sein dasein fristet. nun haben wir es also bewiesen: bei der schweinegrippe handelt es sich ganz simpel um eine kommunistische verschwoerung aus kolkata.

ein kumpel des pandemie-experten liess mich anschliessend noch wissen, wie sehr er hitler als grossen politiker schaetzt. obwohl es langsam langweilig wird, versuchte ich ihm - wie immer - zu erklaeren, dass man das aus indischer sicht vielleicht sagen kann, aber dass doch wohl millionen tote ein deutliches zeichen dagegen sind. leider wollte er es auch nach einem deutlichen hinweis auf seine haut- und augenfarbe nicht einsehen. zu ihrer verteidigung sollte man vielleicht erwaehnen, dass die beiden schon ordentlich betrunken waren, also beide fast ein bier intus hatten. zwar feiern sie als gurkhas - natuerlich! - kein holi, aber was will man machen; die nachbarn sind aus dem tiefland...

zwei jeepfahrten (eine steil nach unten, die andere steil nach oben) brachten uns am 3. maerz in den kleinen staat sikkim, etwa so gross wie die oberlausitz. am grenzposten hinter einer bruecke wurden unsere paesse und die - vorher eingeholte - genehmigung kontrolliert, denn von nun an waren wir im grenzgebiet unterwegs. sikkim selbst ist der juengste teil indiens; erst 1975 entschieden sich die bewohner des koenigreichs unter heftigem indischen druck fuer den beitritt. zuvor hatten sich indien und china, zwischen denen das kleine land liegt, einen krieg geliefert und sikkim in eine bedrohliche pufferstaatensituation gebracht.

typische sikkimesische strasse.

heute ist der staat dank steuerbefreiung aus delhi eines der fortschrittlichsten gebiete indiens. zum beispiel eines der wenigen, die sich ernsthaft gedanken um oeko-tourismus und umweltschutz machen. und selbst die hunde und katzen sehen gesunder aus als anderswo. eine woche lang setzten wir uns als urlauber im kleinen oertchen pelling fest, einer ansammlung aus dutzenden hotels und einigen privathaeusern, die um diese jahreszeit fast leer steht und luftlinie nur 40 kilometer von darjeeling entfernt auf einem bergkamm selber hoehe liegt. die fahrtzeit betraegt allerdings knappe sechs stunden.

willkommen im oeko-paradies sikkim.

von pelling aus besuchten wir zwei der aeltesten kloester in sikkim, beide zu sekten des tibetischen buddhismus gehoerig, naemlich pemayangtse und sanga choeling. beide sind einen spaziergang von pelling entfernt auf huegeln gelegen und bieten neben einem schoenen rundumblick mystische wandmalereien von vielarmigen daemonen, riesige gebetsmuehlen und kehligen gesang. vor dem pemayangtse-kloster haben die moenche unzaehlige gebetsfahnen aufgestellt, die (laut tafel) unter anderem an die opfer des 11. september, die schwedische aussenministerin anna lindh, den krieg in jugoslawien usw. erinnern.

gebetsfahnen im kloster pemayangtse.

erwischt auf offener strasse: ein ent.

des abends, wenn die wolken aus dem tal heranrollten, um ueber unseren bergkamm zu fegen, kehrten wir in eine gemuetliche kneipe ein, um uns mit roger (dem langbaertigen kuenstler aus marseille), jigme (dem travel-guide aus bhutan, der zum ersten mal aus seinem land gereist und nach einem bier sehr lustig war) oder anne und hannes (aus koeln, die wir in varanasi leider verpassten) bei ratterndem heizer und warmem chang zu unterhalten. chang - gelegentlich (wie alles) auch anders geschrieben, ist eine art warmes gebraeu aus angegorener hirse und wasser, das nach einer erhitzten mischung aus bier sowie rot- und weisswein schmeckt und daher zunaechst mal gewoehnungsbeduerftig ist. alles in allem sorgt es allerdings fuer sehr behagliche abende. und kopfschmerzen am naechsten morgen.

am 10. maerz machten wir uns dann endlich wieder auf den weg, zunaechst nach gangtok, die gemuetliche hauptstadt von sikkim. der ort mit weniger einwohnern als bautzen hat vieles zu bieten, was man "in indien" nicht findet. wie ueberall im staat ist rauchen auf der strasse verboten, drinnen allerdings auch (wird nicht von allen befolgt). die gangtoker haben humor, ja sie verwenden sogar ironie. vier ironische bemerkungen innerhalb von zwei tagen uebertreffen saemtliches hier bisher gehoertes. in den cafes von gangtok laeuft anstatt bollywood-musik rock'n'roll, blues, oldies - und es gibt ordentlichen kaffee in stilvoller atmosphaere. im "live&loud", geschmueckt mit zeppelin-postern, buechern ueber hendrix und aktuellen ausgaben des rolling stone, spielte zwei tage nach unserer abreise "die beste band sikkims" - ein pink-floyd-coverprogramm. die zentrale strasse, der MG (mahatma gandhi) marg, ist eine fussgaengerzone. das schoene daran ist, dass die gangtoker nicht fuer die touristen "anders" spielen, sondern selbst gefallen daran finden. denn touristen halten sich im allgemeinen nicht besonders lange hier auf.

am donnerstag vormittag machten wir uns mit einem jeep, dem guide budha und der kanadierin thi auf den weg zum tsomgo-(changu)-see, einem blauen bergsee auf 3700 metern, etwas oestlich von gangtok. dafuer brauchten wir wiederum ein extrapermit, fuer ganz besonders sensible grenzbereiche. die schotterstrasse - gesaeumt von zahlreichen an den berg geworfenen armee-camps, posten, yaks und gaehnenden abgruenden - zog sich ueber 50 kilometer in vielen kurven allmaehlich in luftige hoehen hinauf. die strecke ist teil eines alten armes der seidenstrasse, die hier ueber den pass nathu la (4300m) nach china fuehrt. seit vier jahren duerfen inder sich diesen antiken grenzuebergang wieder ansehen; fuer uns als auslaender ist er allerdings tabu.

dafuer konnte uns budha, der bis vor ein paar jahren beim indischen grenzschutz gearbeitet hat, einiges von den kaempfen in eisigen hoehen (er selbst war auf 5500m stationiert) erzaehlen. der hauptgegner waren dabei weniger die chinesen als eher der eisige wind, der haeufig klamotten, plastestuehle oder sogar die dixie-box hinunter nach tibet wehte - wo sie fuer die indischen soldaten natuerlich fuer immer verloren waren, da die chinesen fuer gewoehnlich im tal blieben, anstatt hinaufzukommen. wenn sie es doch taten, dann meistens, um ein paar grenzsteine zu verschieben oder "auf ihrem territorium aufgebaute" zelte der inder vom berg zu schubsen.

am changu-see angekommen, waren wir vor allem von der klaren, kalten luft und den verschneiten bergen beeindruckt. das koennt ihr vermutlich schlecht nachvollziehen, aber an diesem tag hatten wir unseren indischen winter. um noch eins draufzusetzen, kraxelten wir mit budha den berg bis auf 4100m hinauf, hatten ordentlich zu keuchen, und waren damit wirklich auf dem tellerrand tibets - 5 km von der grenze - angekommen. fuer eine temperatur knapp ueber null grad brauchten wir uebrigens acht+vier kleidungsschichten (oben und unten), muetzen, schals, chai mit rum, viel warme suppe und kamen uns dabei ein wenig schwaechlich vor.

changu.

yak.

am freitag verliessen wir gangtok mit dem sammeljeep (wie ueblich 12 passagiere) in richtung tal, vorbei an den obligatorischen, typisch indisch schlecht gereimten warnhinweisen entlang der strasse - "speed thrills, but kills", "fast drive could be last drive" oder auch, etwas sikkimesischer "oh, look at my curves" - einem kleinen waldbrand und mehreren guenstigen unfallgelegenheiten, denen unser fahrer irgendwie immer knapp ausweichen konnte. wir kamen nach zwei wochen zurueck auf den bahnhof von new jalpaiguri, wo man unseren waggon noch schnell an den zug haengen musste, was uns eine gelegenheit zum gespraech mit sanjay, einem bengalischen polizisten gab. der war aus und schwaermte von darjeeling, regte sich aber ausserdem ueber die grassierende korruption auf, die das land arm haelt (fuer einen polizisten ein eher ungewoehnlicher gedankengang) und schenkte uns zum abschied ein buch ueber den besten, reichsten, gruensten und schoensten bundesstaat indiens. sikkim natuerlich.

der sonnabend begann mit einem sonnenaufgang ueber reisfeldern (im zugfenster) und fuehrte uns am nachmittag nach varanasi, das alte benares, die heiligste stadt der hindus, stadt des lichts und shivas, des zerstoerers. nebenbei soll sie auch knapp 5000 jahre alt und somit die aelteste stadt des planeten sein, was man ihrer altstadt mit den schmalen, verwinkelten, autofreien gassen und den kleinen, zwischen die haeuser gedrueckten tempelchen auch ansieht. varanasi ist ein gewirr aus marktstaenden, kleinen laeden, gasthaeusern, moschee- und tempelhoefen, auf- und abgaengen und nie endenden menschenstroemen. nur ein ort in der stadt ist weitlaeufig; das sind die ghats, die heiligen treppen am ufer des noch viel heiligeren ganges, der allerdings im moment von der trockenzeit zu einem relativ kleinen, elb-haften fluesschen degradiert ist.

die heilige stadt und ihr fluss.


am ganges passiert so ziemlich alles, wofuer varanasi beruehmt (oder beruechtigt) ist. schon von weitem sichtbar sind die verbrennungsghats, wo rund um die uhr jene gluecklichen auf dem holzhaufen verbrannt werden, denen es vergoennt war, hier zu sterben. wer in varanasi stirbt, wird naemlich vom kreislauf der wiedergeburten erloest und geht sofort gen nirvana. die von unberuehrbaren totenwaertern am laufen gehaltenen und mit in den umliegenden gassen gestapelten holzvorraeten betriebenen oeffentlichen krematorien sorgen auch fuer den typischen ascheflug, der sich wohl oder uebel ueberall absetzt. allerdings riecht man nichts. nur wenige meter weiter unten baden sich pilger in den heiligen fluten, waschen die frauen die waesche fuer sich und die hotels, spielen die kinder im schlamm des heiligsten und schmutzigsten flusses der welt. ein ehrgeiziges umweltprogramm zur rettung der goettin ganga soll nun endlich angepackt werden und die pilgerfahrt wieder von einem gesundheitsgefaehrdenden zu einem rein spirituellen erlebnis machen.

holzlager an den ghats.

tourismus von seiner boesen seite - naeher ran gehts nicht mehr.

nach diesem kurzbesuch im hektischen varanasi ging es gestern nachmittag schon wieder weiter in richtung westen, nach bhopal, die hauptstadt des mittellandes (madhya pradesh). obwohl in der vergangenheit eine maechtige fuerstenstadt und noch heute ein zentrum des indischen islam, hat bhopal erst am 3. dezember 1984 traurige bekanntheit erlangt. damals entwich aus den werken des amerikanischen konzerns union carbide - mitten in einem dicht besiedelten slum-gebiet gelegen - des nachts eine toedliche wolke giftigen gases. das methylisocyanat, gebraucht fuer die herstellung von pestiziden, toetete mehrere tausend bewohner der stadt direkt in den folgenden stunden. bis heute sind mehrere zehntausend an den spaetfolgen gestorben, hunderttausende leiden noch immer an erkrankungen der atemwege, hirnschaeden, laehmungen, mentalen schaeden oder bringen behinderte kinder zur welt.

auf dem werksgelaende von union carbide.

alter giftschrank in einem nebengebaeude.

die verantwortliche firma - union carbide india - hat, im einklang mit dem amerikanischen mutterkonzern UC, erwiesenermassen grob fahrlaessig gehandelt und so den tod tausender unschuldiger bhopaler, von denen kaum jemand ahnte, was in den tanks der fabrik lagerte, in kauf genommen. mittlerweile gehoert UC zu dow chemical, nach BASF der zweitgroesste chemiekonzern der welt. weder UC noch dow haben jemals ihre verantwortung fuer die katastrophe anerkannt. auch die indische regierung hat sich nicht als anwalt der opfer hervorgetan. zunaechst wurden diese durch ein gesetz zwangsentmuendigt, damit die republik indien gegen UC klagen konnte; spaeter gab man sich mit einem lausigen betrag von 470 millionen dollar als entschaedigung zufrieden und verzichtete auf jegliche weitere forderungen. bhopal wurde so zu einem traurigen mahnmal fuer den ausverkauf indiens und der inder an ruecksichtslose multinationale konzerne, die sich um die menschen einen dreck scheren.


blick aus der fabrik, mitten im bewohnten gebiet.


die todesfabrik indessen steht weiter mitten in bhopal und rostet langsam vor sich hin. grosse mengen giftiger chemikalien sind in den boden eingedrungen und verseuchen bis heute das grundwasser der anwohner, die ueberwiegend von brunnen versorgt werden. offiziell ist das gelaende gesperrt, bis dieses jahr endlich die aufraeumarbeiten (und damit der abriss) beginnen sollen. gegen ein kleines bakschisch schauen die kartenspielenden polizisten am haupttor allerdings gerne weg und so bekamen wir eine kurze fuehrung durch das gespenstisch gruene, stille gelaende im herzen der millionenstadt.


der ehemalige kontrollraum.

die ruinen von union carbide haben etwas von einem hampi der neuzeit. dutzende tanks, rohre, kompressoren, lagerhallen, betriebsgebaeude usw. rosten und faulen vor sich hin, waehrend das areal langsam ueberwuchert und oben in den baeumen friedlich die voegel zwitschern. gleich hinter der betriebsmauer beginnen die mit plasteplanen und latten gedeckten huetten der bewohner, von denen viele die todesnacht selbst miterleben mussten und eltern, geschwister oder kinder verloren. auf dem gelaende selbst spielen kinder ball, jugendliche kricket, ziegen und kuehe grasen - eine perfekte idylle. kaum zu glauben, dass von diesem unscheinbaren, ruhigen, platz der stille tod ausging.


morgen nacht machen wir uns an die letzte etappe der langen reise - via agra (...) zurueck nach delhi. bis sehr bald,
l+j

sink nicht sanft
in die gute nacht
kaempfe, kaempfe gegen
das sterben des lichts


8.3.10

kanchenjunga...

...8586 m.

28.2.10

zurueck nach oben

hallo! wir sind in der zwischenzeit wieder ein ganzes stueck nach norden gereist und jetzt zurueck im schatten des himalaya. am montag morgen fuhr unser zug, der die letzten paar stunden damit verbracht hatte, zwischen reisfeldern und kleinen doerfern die westlichen auslaeufer des ganges-deltas zu durchqueren, in den bahnhof howrah von kolkata (kalkutta) ein. in der drittgroessten stadt indiens, dem angeblichen armenhaus und der ehemaligen "hauptstadt" der britischen east india company verbrachten wir dann (leider nur) drei tage.

der bahnhof - ein riesiges rotes gebaeude mit vielen tuermen - steht am westufer des hugli, der durch kolkata fliesst. das liegt naemlich, anders als die volksweisheit sagt, nicht am ganges. der hugli ist allerdings ein muendungsarm des grossen indischen stroms, also ists auch nicht ganz falsch. jedenfalls kamen wir stilecht mit der faehre im zentrum der eigentlichen stadt an und begaben uns zur sudder street, wo wir ein zimmerchen in einem gemuetlichen kleinen innenhof fanden.

der hugli. im hintergrund die howrah-bruecke, eine von zwei festen flussquerungen kolkatas.

die gelegenheit bietet sich grade an, ein paar worte ueber den namen der stadt zu verlieren. den meisten (wie auch uns) wird die stadt unter ihrem "deutschen" namen kalkutta bekannt sein. der ist aber falsch. nicht so wie bei "bombay" und "mumbai" (verschiedene namen in verschiedenen sprachen), sondern einfach falsch. die stadt wurde von ihren einwohnern schon immer kolkata genannt. wenn man das auf englisch schreiben will, kommt "calcutta" dabei heraus. jeder englaender spricht das wiederum als "kolkata". als die deutschen irgendwann dachten, bei englischen namen aus jedem c ein k machen zu muessen, entstand der sogenannte deutsche name. die aussprache wurde natuerlich auch deutsch ("kalkutta") und damit falsch. mit diesem hintergrund schreib ich hier kolkata und nix anderes.

wie auch immer, kolkata ist jedenfalls eine schoene stadt. das klingt jetzt vielleicht simpel, allerdings koennen wir dergleichen ueber kaum eine indische stadt sagen, die wir bis jetzt besucht haben. fuer diese schoenheit gibts mehrere gruende: erstens kommen uns die bengalis - kolkata ist die hauptstadt von westbengalen - im vergleich mit z.B. rajasthanis ehrlicher vor. zweitens ist kolkata irgendwie ruhiger. es gibt natuerlich den typisch grossstaedtischen verkehr, aber er ist gefuehlt weniger hektisch und chaotisch. die leute hetzen auch nicht so, wenn sie bspw. von der faehre oder aus der metro steigen. das ist schon viertens: kolkata hat eine metro. mit rolltreppen! und es gibt muellabfuhr, grosse parks, die fuer jeden geoeffnet sind, eine vielzahl von buchlaeden usw. junge (unverheiratete!) paerchen spazieren hand in hand durch die stadt, maedchen tragen nicht unbedingt einen sari und manche rauchen sogar. ein sprichwort besagt dazu passend: "was heute in bengalen ist, ist morgen in indien." kurz gesagt, die stadt ist modern und es wuerde auch in drei wochen nicht langweilig werden.

ein wandbild der kolkataer metro (russisches modell). unten darf leider nicht fotografiert werden.

was auch auffaellt, ist eine vielzahl an repraesentativen gebaeuden im zentrum, die allesamt very british sind. das grossartigste ist das victoria memorial am suedrand des maidan-parks, eine art kapitol-kopie zum gedenken an die britische koenigin und kaiserin von indien gleichen namens, anfang des 20. jahrhunderts aus weissem jodhpurer marmor erbaut. ihre statue sitzt dann auch muerrisch blickend davor und blickt ueber die heranwogenden horden junger indischer touristen und liebender. gleich daneben erhebt sich st. pauls cathedral, die zwar eher nach westminster abbey aussieht, aber wenigstens einen beruehmten namen traegt. der maidan selbst, der aus einigen waeldchen und riesigen wiesen besteht, wird von den staedtern rege genutzt und von polizisten auf pferden bewacht.

blick ueber den maidan zum victoria memorial.

vicky und ihr marmornes andenken.

spaeter am tag waren wir etwas im norden der innenstadt unterwegs; zuerst an der college street, die von unzaehligen kleinen buchlaeden und -staenden gesaeumt ist. einmal nachgefragt, hatte es sich schnell in der gesamten strasse herumgesprochen, dass wir nach "meffs" (inglisch fuer "karten") suchen. nachdem aber nichts ordentliches dabei war, staerkten wir uns erst einmal in der hiesigen filiale des indian coffee house, die hier in einem hohen viktorianischen saal untergebracht und mit kaffeeschluerfenden, rauchenden, diskutierenden studenten vollgestopft ist. schoene atmosphaere.

strassenszene.

mit der rikscha - und zwar einer richtigen, von einem menschen gezogenen - begaben wir uns ins geschaeftige marktviertel barabazaar, bis die strassen fuer unser gefaehrt zu eng wurden und wir uns zu fuss weiter durch das bunte gewusel von verkaeufern, kunden, lastentraegern und moscheegaengern kaempften. hier befinden sich in naechster naehe drei bedeutende gotteshaeuser kolkatas. zum einen die grosse nakhoda-moschee - wir hatten allerdings keine kopfbedeckung dabei, die synagoge, die mit ihrem roten gemaeuer und einem turm eher wie eine kirche aussieht, und die armenische kirche, das aelteste noch erhaltene kirchenhaus der stadt. deren hof ist gepflastert mit unzaehligen grabplatten mit armenischen inschriften, unter denen der groesste teil der kleinen gemeinde kolkatas ruht.

im hintergrund die nakhoda-moschee.

synagogenkirche (links).

armenische grabplatte. die armenier gehoerten neben deutschen und daenen zu den ersten haendlern, die ihre posten am hugli errichteten. die englaender kamen als letzte, nahmen dann aber schnell alles in die hand.

nahe des hugli-ufers standen wir auf einmal vor der gigantischen ruine des "strand ware house", eines grossen lager- und kaufhauses im viktorianischen stil, das am wochenende zuvor einem feuer zum opfer gefallen war. aus den ruinen drang noch rauch nach aussen.

die qualmende ruine des "strand ware house". hier waren mal 2000 kleine laeden untergebracht.

im hochsicherheitstrakt der "survey of india" (der nationalen geographischen gesellschaft) drangen wir dann mal in den dschungel indischer buerokratie ein. ich wollte dann doch noch ein paar karten (moeglichst keine bunten, sondern ordentliche) von verschiedenen bundesstaaten haben. nachdem wir bei der einlasskontrolle unsere namen und den zweck des besuchs vermerkt hatten, kamen wir in ein buero. dort registrierte man erneut unsere daten und fragte uns nach unseren wuenschen. viele davon wurden allerdings abgelehnt, weil eine menge von karten (topographische z.B., oder solche von grenznahen gebieten) gar nicht an auslaender verkauft werden duerfen. wir koennten ja spione oder terroristen sein. in zeiten von google maps etwas seltsam. eine weitere halbe stunde dauerte die archivsuche nach unseren eher gewoehnlichen wuenschen. insgesamt beschaeftigten sich in dieser zeit sechs mitarbeiter ausschliesslich mit uns. das ist ebenfalls typisch indisch.

st. pauls cathedral mit seltsamen gewitterwolken.

die armut ist in kolkata foermlich sprichwoertlich. vermutlich hat die stadt in der beziehung den schlechtesten ruf unter indiens metropolen. das liegt vor allem an mutter teresa, die ihr leben den armen hier gewidmet hat. paradoxerweise hat - wie uns sandib, unser "herbergsvater", erzaehlte - genau dieser ruf dazu gefuehrt, dass eine armada von indischen und internationalen organisationen die arbeit in kolkata aufgenommen hat. die kommunistische regierung stand ihnen dabei nicht gerade im weg. deswegen ist kolkata heute mehr als gut versorgt mit programmen und helfern aller art, waehrend es in den slums von chennai, delhi, mumbai oder auch nur in kleineren nachbarstaedten deutlich duesterer aussieht. wir bilden uns ein, auch das bemerkt zu haben.

des abends stiessen wir mitten auf der grossen durchgangsstrasse auf einen stau, der vom trauerzug fuer einen verstorbenen genossen der kommunistischen partei ausgeloest worden war. er wurde angefuehrt von einer fahnentragenden pionierbrigade, denen der laster, auf dem man den kameraden aufgebahrt hatte, und mehrere tausend trauernde folgten. unser gastgeber sandib erzaehlte uns passenderweise, dass es mit der kommunistischen herrschaft nach 33 jahren so langsam bergab gehe und die leute auf einen wechsel hofften. die kaempfer von damals seien heute alle alte maenner, stuerben wie die fliegen und nachwuchs gaebe es keinen. auch in der roten welthauptstadt (kolkata) sieht es also duester aus.

nun ist auch in kolkata der herbst des kommunismus angebrochen.

unser weg fuehrte uns - erst zum zweiten mal in indien - daraufhin in richtung kino. dort gab es den neuen streifen von shah rukh khan (von den indern auch SRK genannt), dem koenig von bollywood. in "my name is khan" (MNIK) spielt er einen indisch-muslimischen autisten, der in amerika lebt und arbeitet und nach dem 11. september den hass seiner weissen angelsaechsischen mitbuerger zu spueren bekommt. der film, dessen immer wiederkehrende zeile "my name is khan, and i'm not a terrorist" fuer stuerme der begeisterung beim indischen publikum sorgte, ist eine einigermassen gelungene mischung aus doku, mythos und lovestory, gleichzeitig aber auch ein deutlicher seitenhieb gegen all jene "kommunalisten" indiens, die unfrieden zwischen den verschiedenen volksgruppen stiften wollen. daher sorgte er in den vergangenen wochen landesweit fuer furore, als die rechtsextreme stadtregierung von bombay androhte, die auffuehrung zu verhindern und khan in ihr kreuzfeuer nahm. zum glueck stand das land hinter seinem liebling.

am mittwoch abend kaempften wir uns (zugegeben, im taxi) durch den naechtlichen verkehr zum bahnhof sealdah, wo wir eine gleichgesinnte kanadierin trafen, mit der wir uns ein wenig ueber indische eigenheiten lustigmachen konnten. sealdah hat nichts weiter zu bieten als unzaehlige bahnsteige und horden von bettlern, die (im vergleich mit anderswo - hand rausstrecken, "money, sir" sagen) eine relativ bewegende show liefern. auf die knie fallen, weinen und laut wehklagen eingeschlossen. alles in allem ein sehr unangenehmer platz.

mal ein bisschen essen: das ist ein thali, das standardgericht und die billigste art, sich zu ernaehren. in seiner bengalischen variante gehoert dazu: reis, frittierte kartoffeln, dhal (linsenbrei), pickles (sauer eingelegtes gemuese), alu (kartoffeln), puri (grosser, frittierter teig-chip) und salat.

wer sagt, dass ein "fried egg" immer ein spiegelei sein muss? im grunde ist es ein frittiertes ei, oder?

der nachtzug fuhr laengs durch westbengalen, immer einen steinwurf von der grenze bangladeshs entfernt und lieferte uns am donnerstag morgen in siliguri, dem drehkreuz des nordostens, ab. die stadt ist touristisch betrachtet vollkommen uninteressant und so liessen wir uns zu einem wahren palast von hotel bringen, wo wir fuer 8 euro den rest des tages entspannten und uebernachteten.

ab und an muss ein wenig luxus sein. rechts gehts auf den balkon, wo man rauchen oder auch reden ans volk halten kann.

nach anfaenglichen schwierigkeiten reisten wir am freitag mit dem sogenannten "toy train" (offiziell darjeeling himalayan railway) weiter nach norden. der zug braucht fuer die 81 kilometer zwar sage und schreibe sechseinhalb stunden; die fahrt ist allerdings ein erlebnis. die winzige lok mitsamt der angehaengten vier waggons kriecht ueber eine 61-cm-schmalspurbahn die steilen haenge des himalaya hinauf - mehr als 2300 hoehenmeter insgesamt, teilt sich die strecke oft mit lkws und jeeps mit dem selben ziel, faehrt ab und an mitten hindurch zwischen den huetten und kleinen haeuschen der einheimischen, oder zwischen strasse und haus oder klo und kueche, und klettert so immer hoeher, hinein in die wolken.

ein bisschen wie im grossen garten: der toy train im bahnhof von siliguri...

...und in voller fahrt (etwa 10-20 km/h).

das schafft sie mithilfe einiger technischer tricks. ab und an gibt es sogenannte "z-reversen", in die der zug einfaehrt, anhaelt, ueber eine weiche rueckwaerts auf das naechste gleis faehrt, um einige meter weiter oben erneut anzuhalten und in seine urspruengliche richtung weiterzufahren. das war jetzt vermutlich wenig verstaendlich, also stellt euch das ganze halt wie ein Z vor. hat den vorteil, dass man keine kurven bauen muss, fuer die an den haengen und auf den schmalen bergkaemmen ohnehin kein platz ist. eine andere meisterleistung sind die drei schleifen, in denen sich der zug praktisch den berg hinaufschraubt, indem die bahn sich selbst ueberquert.

eine z-reverse. der zug kommt von unten (links), faehrt hinter die weiche und weiter gehts nach oben (rechts).

und eine der schleifen, in denen sich die strecke selbst ueberquert.

die atemberaubenden aussichten in die schluchten und taeler der hiesigen hills ("berg" sagt man erst ab etwa 5000 meter) machten die reise bis etwa 1800 meter hoehe zu einem echten erlebnis. danach fuhren wir in die wolken hinein, es wurde deutlich kaelter, die sichtweite sank auf ein minimum und zu allem uebel flohen die muecken in scharen vor der kaelte in unseren zug.

im bahnhof von ghum (2300 m).

links und rechts der strecke wehte an fast allen haeusern, geschaeften etc. die gruen-weiss-gelbe flagge des gorkhalandes, und die strasse war gesaeumt mit politischen slogans - "we want gorkhaland", "our solution is separation", "gorkhaland is our birthright" usw. die gorkhaland-aktivisten fordern einen eigenen bundesstaat fuer die nepalesische bevoelkerung dieser region, die bis jetzt zu westbengalen gehoert. gelegentlich legen streiks der aktivisten das oeffentliche leben rund um darjeeling und kalimpong lahm. alles in allem ist der protest jedoch heutzutage friedlicher als noch vor ein paar jahren, als einige gorkhas mit waffengewalt fuer ihre sache eintraten.

"unser kampf fuer unsere identitaet..." - die probleme sind ueberall auf der welt die gleichen.

in darjeeling, der groessten und bekanntesten der alten britischen "hill stations", versuchen wir uns nun wieder an kaelte zu gewoehnen. wir haben eins von zwei bewohnten zimmern im vierstoeckigen hotel, unsere fenster sind so gut wie es geht mit decken verhangen, der halogen-heizer laeuft die nacht durch und haelt die temperatur so bei etwa 15 grad. und vom balkon aus haben wir theoretisch einen grandiosen blick auf die umliegende bergwelt inkl. des dritthoechsten gipfels dieser welt, der kanchenjunga (frei uebersetzt: fuenfspitziger schneepalast).

leider sind vorueberwabernde nebelschwaden das einzige, was wir sehen. ab und an dringt vom glockenturm im zentrum, 100m weiter unten, die beruehmte melodie des big ben zu uns herauf und erinnert daran, das darjeeling noch immer eine der letzten festungen britisch-indiens und des weiteren schon wieder eine stunde vergangen ist. zum ersteren traegt der beruehmte tee, der an beinahe allen haengen der umgebung angebaut wird, natuerlich seinen teil bei. gelegentlich bekommt man sogar sein mittagessen auf tellern, die aus zusammengeklebten teeblaettern bestehen. sehr umweltfreundlich und ressourcenschonend.

darjeeling ist an sich keine schoene stadt. nur das panorama lohnt sich, wenn mans denn sieht.

und heute morgen, kurz nach halb sieben, gab sich die goettin dann doch einmal die ehre und liess ihre verschneiten gipfel kaum sichtbar wie eine wolke hoch am nordhimmel schwebend ueber darjeeling blicken. kurz darauf war sie zwar wieder verschwunden, aber ihr kurzer, etwas geisterhafter auftritt hat das fruehaufstehen allemal gerechtfertigt. und so warten wir hier, in den wolken, auf besseres wetter und trinken derweil. tee natuerlich.

bis bald!