23.6.14

Ins Land der weißen Nächte und endlosen Wälder

Montag, 23. Juni. Tag 74. Ort: Stockholm. Kilometerstand: 4706.

Hej hej! Das ist Schwedisch und damit sind wir schon mittendrin. Seit 12 Tagen sind wir jetzt in der mittlerweile sechsten Monarchie auf unserer Tour unterwegs und haben heute einen Ruhetag in Stockholm eingelegt, wo wir gestern abend nach fast 800 Kilometern auf der Skandinavischen Halbinsel angekommen sind. Zeit für ein paar frische Bilder und Eindrücke.

Nachdem wir die Niederlande verlassen und bei Xanten mit der Fähre den Rhein überquert haben, führt uns unser Weg zunächst durch den Norden von NRW, größtenteils entlang von Kanälen und auf alten Eisenbahnstrecken, so wie wir das aus Frankreich und Belgien schon gewohnt sind. In Coesfeld im Münsterland werfen wir einen Blick in die Lambertikirche, die das größte Gabelkreuz Deutschlands beherbert, mit einem über zwei Meter großen Jesus.

Der Xantener Dom.
In den Rheinwiesen zwischen Xanten und Wesel.
Etwas ungewohnte Umgebung.
Die Coesfelder Lambertikirche mit dem Gabelkreuz.
Am Dortmund-Ems-Kanal geht es bis zum Teutoburger Wald, den wir bequem am Rand des hier abzweigenden Mittellandkanals durchqueren. Nachdem auch die letzten "Berge" des Wiehengebirges verschwunden sind, folgt plattes Land. Plattes, leeres Land. Viele Kühe, gerade Straßen und am Horizont immer das eine Windrad, das nie näher kommt. Radfahren in Niedersachsen. Wenigstens haben wir Rückenwind, so dass wir schon fünf Tage nach unserem Aufbruch an der Maas in Buchholz im Speckgürtel von Hamburg ankommen. Dort gönnen wir uns bei Birgit und Jan einen Tag Pause (vielen Dank auch hier nochmal!) und fahren zum Fahrradladen shoppen. Drin sind ein neuer Frontgepäckträger für Lenka (der alte war zu wackelig) und ein Rückspiegel sowie eine kleine Tabaktasche für mich.

Bei der Fahrt durch Hamburg lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, durch den alten Elbtunnel und an der Elbphilharmonie vorbei zu radeln. Ist fast fertig.

Dortmund-Ems-Kanal.
Durch den alten Elbtunnel.
Hafencity mit Elbphilharmonie.


Von Hamburg aus fahren wir durch Ostholstein und die "Holsteinische Schweiz" zur Ostseeküste. Dabei kommen wir am höchsten Berg Schleswig-Holsteins vorbei, immerhin 168 Meter hoch. Insgesamt ist diese Gegend erstaunlich hügelig, einige steile Anstiege würden auch in den Süden der Oberlausitz passen.

Es holt einen doch überall ein.
Mittagspause Unter den Linden in Berlin.
In Weissenhäuser Strand erreichen wir unser drittes Meer auf dieser Reise, die altbekannte Ostsee, deren Umrundung eigentlich auf dem Tourplan stand, aber dazu später.

Sonnenuntergang am Ostseestrand.
Auf der Halbinsel Wagrien, die nach dem alten slawischen Stamm der Wagrier benannt ist, die hier einst als nordwestlichster Vorposten der Elbslawen siedelten und von denen abgesehen von diversen Ortsnamen auf -itz und dem alten Burgwall in Oldenburg/Holstein (Starigard) nicht viel übrig geblieben ist. Letzteren und das angeschlossene Wallmuseum besuchen wir natürlich, müssen allerdings feststellen, dass das alte Slawentum hier mit den offenbar ungleich spannenderen Wikingern und einer weichgespülten Mittelalterromantik konkurrieren muss. Über die slawischen Wurzeln der Halbinsel erfährt der Besucher trotzdem viel Wissenswertes.

Der wagrische Burgwall in Oldenburg – bis zu 18 Meter hoch.
Lustig war das Wendenleben.
Die wagrische Halbinsel war aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage bis zur Wende der Standort westdeutscher Überwachungseinrichtungen, die den Osten ausspähten. Heute ist sie nur noch Durchgangsland für Tausende Skandinavienreisende, so auch für uns. Über die Fehmarnsundbrücke führt uns der Weg auf die drittgrößte deutsche Ostseeinsel (die auch mal slawisches Land war und deren Einwohner sich ihr Brot mit Piraterie verdienten).

Von hier aus wurde der Osten bespitzelt.
Blick von Wagrien nach Fehmarn.

Von Puttgarden (Podgrodom) aus setzen wir mit der Fähre nach Lolland über und beenden damit unseren einwöchigen Deutschlandtransit. In Dänemark sind die Radwege besser, die Campingplätze teurer und günstige Alternativen mangels Wald selten. Über Lolland und den Nordwesten von Falster erreichen wir die Hauptinsel Seeland und nach drei Tagen Kopenhagen. Reiseradler sind hier rarer als auf dem europäischen Festland, wir treffen nur zwei Italiener und zwei Holländer, die unabhängig voneinander unterwegs von Amsterdam nach Stockholm sind sowie einen Polen auf dem Weg zu einer Konferenz in Roskilde.

Von Falster nach Seeland.
Dorfkirche von Skibbinge.
Kopenhagen.
Kopenhagen.
Am Öresund entlang und mit Schweden schon in Sichtweite kommen wir nach Helsingör, von wo uns die Fähre in die skandinavische Schwesterstadt Helsingborg bringt. Zum ersten Mal haben wir schwedischen Boden unter den Füßen und dürfen damit höchstoffiziell (fast) überall zelten. Das ist auch notwendig, denn billiger wird es nicht. Ab und an finden wir aber auch einen günstigen Campingplatz.

Blick über den Öresund nach Schweden.
In Helsingborg.
Bei schönstem schwedischen Frühlingswetter knacken wir die 4000er-Marke.
Menschen gibt es hier nicht allzuviele, dafür um so mehr Mücken und vor allem sogenannte Knotts, winzige Fliegen, die in Hundertschaften umherschwirren und beißen. Die machen auch vor Gesicht und Augen nicht halt und den Zeltaufbau zumindest im Wald und an Seen zur Qual. Daher gibt es die warme Mahlzeit jetzt meistens am Mittag statt am Abend. Im Zelt sind wir allerdings sicher, sowohl vor den Biestern als auch vorm allmorgendlichen Regenschauer.

Gut gerüstet gegen Knotts und Mücken.
Mittagspause am See.
Nach einigen Tagen, an denen wir gefühlt ausschließlich durch den Wald fahren und manchmal Probleme haben, irgendeinen Laden zu finden, in dem wir uns verpflegen können, erreichen wir Jönköping – eine richtige Stadt! – und den Vättern, seines Zeichens zweitgrößter See Schwedens, über 130 Kilometer lang, 100 Meter tief und unglaublich kalt. Vorher waren wir einige Male in kleinen Seen am Wegesrand baden, im Vättern hält man es dagegen nicht lange aus. Fast drei Tage fahren wir am Ufer entlang und machen mehr als die Hälfte der sogenannten Vätternrundan, des größten Radrundrennens des Landes, das am Wochenende vor unserer Ankunft stattfand.

Vätternstrand bei Bankeryd.
Morgens halb vier am Vättern.
Die Nächte, in denen es hier nie richtig dunkel wird, verbringen wir größtenteils an geschützten Orten im Wald. Das hat auch den Vorteil, dass das Zelt nicht früh um fünf in der prallen Sonne steht. Bei Norrköping, wo wir bei Jonatan und Mikaela übernachten dürfen, erreichen wir wieder die Ostsee und fahren über kleine Inseln und Halbinseln bis nach Stockholm, die erste richtige Stadt seit einer gefühlten Ewigkeit.

Nach 4532 Kilometern der erste Platten.
Mittagspause an der Ostsee bei Nyköping.
Mittsommer-Schlafplatz im Wald.
Abwechslungsreiches schwedisches Sommerwetter.
Da hinten im Wald wohnen wohl noch Leute.

Einfahrt nach Stockholm. Fast wie zuhause.
Ankunft in der schwedischen Hauptstadt um halb elf abends.

Den geplanten Abstecher nach Trondheim und die Runde um die Ostsee haben wir schweren Herzens gestrichen bzw. stark abgekürzt. Dafür gab es mehrere Gründe, einmal die Preise, zweitens die äußerst spärliche Besiedlung dort oben, drittens die Viecher und viertens die doch noch ziemlich frischen Temperaturen. Dazu kommt noch der schwierige Umstand, dass Bier hier entweder absurd dünn oder vollkommen überteuert ist, was natürlich auf die Dauer kein Zustand sein kann. Dafür gewinnen wir jetzt ein bisschen mehr Zeit für den baltischen und osteuropäischen Abschnitt unserer Reise, was ja auch nicht schlecht ist. Diese Woche geht es dafür erst einmal weiter über die Aland-Inseln nach Finnland. Hej då!

2 Kommentare:

  1. 4532 Kilometer und erst einen Platten, wie toll ist das denn! Wir haben aufgehört zu zählen, aber geschätzte 40 waren es bestimmt schon.Grüße aus Kolumbien a rjanu jězbu!

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    1. Za to mejach druhi hizo 300 kilometrow po tym. Wamaj tez dale rjanu jezbu, citamoj preco pilnje nowosce z noweho sweta.

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