15.4.14

Die Reise beginnt

Mo, 14. April. Tag 5, Kilometer 265.

Die weite Reise beginnt um dreiviertel fünf früh in Bautzen. Im leichten Nieselregen – angesagt war immerhin Schneefall – erreichen wir kurz vor halb sieben den Bahnhof in Sluknov, mittlerweile dank der DB-Preispolitik schon fast der traditionelle Startpunkt für Radtouren. Über Kolín, Pardubice und Wiener Neustadt nähern wir uns Zagreb. Zwischendurch gleich das erste Weltkulturerbe, nämlich die Semmeringbahn. Alle Anschlüsse klappen und mehrmals helfen uns die Schaffner, unsere Räder in den Zug und wieder hinaus zu bekommen. Ausstieg dreiviertel zehn abends am slowenisch-kroatischen Grenzbahnhof von Dobova. Und gleich die erste Passkontrolle. Da es immer noch leicht regnet, stellen wir das Zelt unter einer Brücke an der Sava auf. Aufbauen bei Dunkelheit dauert noch ein bisschen.


Der Freitag bringt uns – anfangs im weiten, grünen Tal der Krka – durch den Südosten Sloweniens nach Novo mesto, wo wir am Fluss in der Sonne Mittag kochen. Unterwegs mutet alles ziemlich österreichisch an. Kleine Bauernhöfe, Häuser mit hölzernen Balkons, Wegkreuze und Kühe auf der Weide. Auch Slowenisch klingt ja ein bisschen wie österreichisch ausgesprochenes Slawisch. 

Hinter Novo mesto wird es dann bergig. Die Gorjanci-Berge sind hier zwar nicht besonders hoch, dafür scheint es den Straßenbauern eine Herausforderung gewesen zu sein, den Weg so oft wie möglich hoch und wieder runter zu führen. Natürlich ohne Serpentinen, denn die sind für Muttis. 


Als wir nach 77 Kilometern in Črnomelj ankommen, sind wir dementsprechend fertig und beziehen ein Zimmer in der Jugendherberge.

Sonnabend fahren wir über den Berg weiter ins Tal der Kupa oder Kolpa, die hier die Grenze zwischen Slowenien und Kroatien bildet. Die Talwände ragen steil empor, ab und an sehen wir eine Karstquelle oder eine Höhle am Wegesrand. Sonst ist nicht viel los, die Straße ist eigentlich ein breiterer Radweg. 


Wie an allen kleinen Flüssen Europas sind die Dörfer auf beiden Seiten durch ein paar Brücken miteinander verbunden, allerdings sind die meisten abgesperrt. Seit 2007 ist die Kupa nämlich auch Schengen-Außengrenze und der kleine Grenzverkehr zwischen den Dörfern, die über die letzten paar Jahrhunderte nie eine Grenze trennte, stark eingeschränkt. Allerdings muten die meisten Absperrungen ziemlich unambitioniert an und werden vermutlich so gut es geht ignoriert. 


 Nachdem wir auf der slowenischen Seite keinen Zeltplatz finden, wechseln wir in Brod na Kupi schnell das Land, auch weil eine dunkelgraue Regenfront anzieht. In der Kneipe frage ich, ob es irgendwo Platz für ein Zelt gibt. „Legal nicht“ lautet die Antwort. Auf die Nachfrage, ob denn nicht irgendjemand eine Wiese oder ein Feld frei hat, fühlt sich nach einigem Zögern ein älterer Herr angesprochen und stellt uns einen Platz auf seinem Grundstück zur Verfügung. Nachdem das Zelt aufgebaut und der Kocher angefeuert ist, steht er mit hauseigenem Schnaps vor der Tür. Früh gibt es dann noch Kaffee für die Gäste.


Auch am Sonntag radeln wir erst einmal weiter an der Kupa entlang, wieder auf der slowenischen Seite, weil da die Straße besser ist. Je weiter wir den Fluss hinauffahren, desto schmaler wird er und desto häufiger überqueren ihn abgesperrte Stege und Brücken. Immerhin hat man sie nicht abgerissen, so dass die Bewohner in ein paar Jahren wieder problemlos hin und her gehen werden können. Bis Čabar (wieder Kroatien) bleibt die Straße im Tal, aber dann erwartet uns ein heftiger Anstieg in einigen Serpentinen und mit zweistelligen Steigungen.


Am Ende kommen wir auf dem Plateau von Prezid an (pre zid = über die Mauer, weil hier der Limes verlief), dem kroatischen Grenzort. Dort fragen wir, diesmal auf der Straße, nach einem Platz zum Zelten. Allerdings sind sich die Leute einig, dass es zum Zelten viel zu kalt wäre – die Nacht zuvor hätte es noch geschneit. Also stellt uns die Kneiperfamilie kurzerhand ihr privates Gästezimmer zur Verfügung, unter der Bedingung, dass wir abends noch ein Bier mit ihnen trinken. Besser geht es kaum.


Gestern vormittag wechseln wir zum vorerst letzten Mal zurück nach Slowenien und fahren hinab zum Cerkniško jezero. Der Zirknitzer See, wie er auf deutsch heißt, ist der größte periodische Karstsee der Welt. Das heißt, dass er im Herbst und Winter einige Monate gefüllt ist und zum Fischfang genutzt wird, während im Sommer, nachdem das Wasser in hunderten unergründlichen Felsspalten verschwunden ist, die Bauern den trockenen Seeboden bestellen. Fand schon Immanuel Kant interessant, war aber jetzt kaum noch Wasser drin. 


 Ein paar Kilometer hinter dem Städtchen Cerknica findet sich im Wald allerdings etwas viel spannenderes, nämlich der Flusslauf von Rakov Skočjan. Hier ist auf drei Kilometern Länge die Decke eines unterirdischen Flusslaufs eingestürzt und hat eine tiefe Schlucht mit mehreren Felsbrücken, Durchlässen und Höhlen hinterlassen. In diese beeindruckende (ehemalige) Unterwelt kann man an einigen Stellen auch absteigen. 


 Unterwegs sind schon seit zwei Tagen überall die Spuren des heftigen Eisregens zu sehen, der mehr als die Hälfte der slowenischen Wälder diesen Winter mit einem dicken Eispanzer überzog und Hunderttausende Bäume umknickte. Links und rechts der Straße gibt es kaum einen Wald, der nicht stark beschädigt ist, manchmal ist kein einziger Baum mehr intakt.


Den ganzen Tag über weht ein starker Gegenwind, der eine Kaltfront ankündigt. Noch dazu müssen wir hinter Postojna, wo wir den Besuch der weltberühmten Höhle auslassen, auf einer stark befahrenen Landstraße weiter gen Westen, die die einzige Alternative zur parallel laufenden Autobahn ist. Weil wir in den letzten Tagen etwas sparen konnten und für die Nacht Gewitter und Temperaturen um den Gefrierpunkt angesagt werden, verzichten wir auf Zelt und beziehen ein Zimmer in Razdrto am Fuß des gewaltigen Bergmassivs des Nanos.

Nach Hagel und Starkregen scheint heute morgen wieder die Sonne und wir starten in Richtung Italien.

1 Kommentar:

  1. Danke für den (ersten) wieder sehr schönen und informativen Bericht
    es ist fast so als ließe man sich das am Abend erzählen...und natürlich die Fotos!
    und wieder eure Begegnungen
    ich wünsch euch weiter gute Fahrt und Pannenfreiheit
    bin gespannt was ihr weiter erlebt
    eure Manuela

    AntwortenLöschen