19.3.10

taj mahal - das ende der reise


mittwoch abend sind wir - nach langer bahnfahrt und einem vormittaeglichen zwischenstopp am taj mahal in agra - wieder in delhi angekommen. damit ist der kreis geschlossen und wir ab dienstag wieder live und in farbe zuhause zu erleben. bis dann!

15.3.10

rock'n'roll sikkim, heilige stadt und stiller tod

namaste miteinander. wieder sind zwei wochen vergangen - beinahe unsere letzten im besten land unter der sonne (unvoreingenommene indische meinung). wir haben uns noch ein wenig im schatten der kanchenjunga im kleinen staat sikkim umgesehen und sind dann durch die breite ebene des ganges - mit zwischenstopp in varanasi - weit nach westen, genauer nach bhopal gefahren.

beginnen wir aber in darjeeling, wo wir unsere zeit ueberwiegend mit ausgedehnten spaziergaengen in den weiten teeplantagen und besuchen im kleinen zoo (spezialitaet: schneeleopard und roter panda) sowie im himalayan mountaineering institute totschlugen. letzteres widmet sich zwar vor allem den bergen in indiens nachbarlaendern - die allerdings auf der reliefkarte gerne mal indien zugeschlagen werden - bot aber mit einem originalgetreu nachgebauten hoehencamp, vielen bildern und dem eispickel von tenzing norgay (everest-erstbesteiger) einen ganz interessanten einblick in die etwas verrueckte bergsteigerwelt.

teeplantage vor...

...und nach der ernte.

mitten in darjeeling erwischte uns am 1.3. das farbenfest holi, was von hindus normalerweise dazu genutzt wird, hemmungslos wildfremde leute mit wasserfarbe zu bespritzen oder auch - sonst eher ungewoehnlich - einfach mal zu flirten. da darjeeling allerdings eher von nepalischen als von "richtigen" hindus bewohnt wird, war ausser einigen bunten kindern, hunden und ziegen nicht viel von der ausgelassenheit zu bemerken. dennoch ein wichtiger tag fuer uns und die menschheit, da uns ein junger gurkha in das gut gehuetete geheimnis der schweinegrippe einweihte. demnach ist es naemlich so, dass h1n1 durch den verzehr eines ekligen, kommunistischen kolkata-huehnchens uebertragen wird. wie uns unser freund sehr bildhaft darstellte, geht es dem betroffenen uebel und immer schlechter, bis er schliesslich sogar sterben kann. hier tritt nun das einzig wahre heilmittel auf den plan: eine gefluegelsuppe. einfache loesung, ist ja auch bei uns schon seit jahrhunderten gegen erkaeltungen im gebrauch. allerdings darf es um himmels willen kein kolkata-huhn sein, das im topf landet. die heilung bringt einzig und allein das gurkha-huhn - jenes, welches bevorzugt in darjeelings offenen abwassergraeben sein dasein fristet. nun haben wir es also bewiesen: bei der schweinegrippe handelt es sich ganz simpel um eine kommunistische verschwoerung aus kolkata.

ein kumpel des pandemie-experten liess mich anschliessend noch wissen, wie sehr er hitler als grossen politiker schaetzt. obwohl es langsam langweilig wird, versuchte ich ihm - wie immer - zu erklaeren, dass man das aus indischer sicht vielleicht sagen kann, aber dass doch wohl millionen tote ein deutliches zeichen dagegen sind. leider wollte er es auch nach einem deutlichen hinweis auf seine haut- und augenfarbe nicht einsehen. zu ihrer verteidigung sollte man vielleicht erwaehnen, dass die beiden schon ordentlich betrunken waren, also beide fast ein bier intus hatten. zwar feiern sie als gurkhas - natuerlich! - kein holi, aber was will man machen; die nachbarn sind aus dem tiefland...

zwei jeepfahrten (eine steil nach unten, die andere steil nach oben) brachten uns am 3. maerz in den kleinen staat sikkim, etwa so gross wie die oberlausitz. am grenzposten hinter einer bruecke wurden unsere paesse und die - vorher eingeholte - genehmigung kontrolliert, denn von nun an waren wir im grenzgebiet unterwegs. sikkim selbst ist der juengste teil indiens; erst 1975 entschieden sich die bewohner des koenigreichs unter heftigem indischen druck fuer den beitritt. zuvor hatten sich indien und china, zwischen denen das kleine land liegt, einen krieg geliefert und sikkim in eine bedrohliche pufferstaatensituation gebracht.

typische sikkimesische strasse.

heute ist der staat dank steuerbefreiung aus delhi eines der fortschrittlichsten gebiete indiens. zum beispiel eines der wenigen, die sich ernsthaft gedanken um oeko-tourismus und umweltschutz machen. und selbst die hunde und katzen sehen gesunder aus als anderswo. eine woche lang setzten wir uns als urlauber im kleinen oertchen pelling fest, einer ansammlung aus dutzenden hotels und einigen privathaeusern, die um diese jahreszeit fast leer steht und luftlinie nur 40 kilometer von darjeeling entfernt auf einem bergkamm selber hoehe liegt. die fahrtzeit betraegt allerdings knappe sechs stunden.

willkommen im oeko-paradies sikkim.

von pelling aus besuchten wir zwei der aeltesten kloester in sikkim, beide zu sekten des tibetischen buddhismus gehoerig, naemlich pemayangtse und sanga choeling. beide sind einen spaziergang von pelling entfernt auf huegeln gelegen und bieten neben einem schoenen rundumblick mystische wandmalereien von vielarmigen daemonen, riesige gebetsmuehlen und kehligen gesang. vor dem pemayangtse-kloster haben die moenche unzaehlige gebetsfahnen aufgestellt, die (laut tafel) unter anderem an die opfer des 11. september, die schwedische aussenministerin anna lindh, den krieg in jugoslawien usw. erinnern.

gebetsfahnen im kloster pemayangtse.

erwischt auf offener strasse: ein ent.

des abends, wenn die wolken aus dem tal heranrollten, um ueber unseren bergkamm zu fegen, kehrten wir in eine gemuetliche kneipe ein, um uns mit roger (dem langbaertigen kuenstler aus marseille), jigme (dem travel-guide aus bhutan, der zum ersten mal aus seinem land gereist und nach einem bier sehr lustig war) oder anne und hannes (aus koeln, die wir in varanasi leider verpassten) bei ratterndem heizer und warmem chang zu unterhalten. chang - gelegentlich (wie alles) auch anders geschrieben, ist eine art warmes gebraeu aus angegorener hirse und wasser, das nach einer erhitzten mischung aus bier sowie rot- und weisswein schmeckt und daher zunaechst mal gewoehnungsbeduerftig ist. alles in allem sorgt es allerdings fuer sehr behagliche abende. und kopfschmerzen am naechsten morgen.

am 10. maerz machten wir uns dann endlich wieder auf den weg, zunaechst nach gangtok, die gemuetliche hauptstadt von sikkim. der ort mit weniger einwohnern als bautzen hat vieles zu bieten, was man "in indien" nicht findet. wie ueberall im staat ist rauchen auf der strasse verboten, drinnen allerdings auch (wird nicht von allen befolgt). die gangtoker haben humor, ja sie verwenden sogar ironie. vier ironische bemerkungen innerhalb von zwei tagen uebertreffen saemtliches hier bisher gehoertes. in den cafes von gangtok laeuft anstatt bollywood-musik rock'n'roll, blues, oldies - und es gibt ordentlichen kaffee in stilvoller atmosphaere. im "live&loud", geschmueckt mit zeppelin-postern, buechern ueber hendrix und aktuellen ausgaben des rolling stone, spielte zwei tage nach unserer abreise "die beste band sikkims" - ein pink-floyd-coverprogramm. die zentrale strasse, der MG (mahatma gandhi) marg, ist eine fussgaengerzone. das schoene daran ist, dass die gangtoker nicht fuer die touristen "anders" spielen, sondern selbst gefallen daran finden. denn touristen halten sich im allgemeinen nicht besonders lange hier auf.

am donnerstag vormittag machten wir uns mit einem jeep, dem guide budha und der kanadierin thi auf den weg zum tsomgo-(changu)-see, einem blauen bergsee auf 3700 metern, etwas oestlich von gangtok. dafuer brauchten wir wiederum ein extrapermit, fuer ganz besonders sensible grenzbereiche. die schotterstrasse - gesaeumt von zahlreichen an den berg geworfenen armee-camps, posten, yaks und gaehnenden abgruenden - zog sich ueber 50 kilometer in vielen kurven allmaehlich in luftige hoehen hinauf. die strecke ist teil eines alten armes der seidenstrasse, die hier ueber den pass nathu la (4300m) nach china fuehrt. seit vier jahren duerfen inder sich diesen antiken grenzuebergang wieder ansehen; fuer uns als auslaender ist er allerdings tabu.

dafuer konnte uns budha, der bis vor ein paar jahren beim indischen grenzschutz gearbeitet hat, einiges von den kaempfen in eisigen hoehen (er selbst war auf 5500m stationiert) erzaehlen. der hauptgegner waren dabei weniger die chinesen als eher der eisige wind, der haeufig klamotten, plastestuehle oder sogar die dixie-box hinunter nach tibet wehte - wo sie fuer die indischen soldaten natuerlich fuer immer verloren waren, da die chinesen fuer gewoehnlich im tal blieben, anstatt hinaufzukommen. wenn sie es doch taten, dann meistens, um ein paar grenzsteine zu verschieben oder "auf ihrem territorium aufgebaute" zelte der inder vom berg zu schubsen.

am changu-see angekommen, waren wir vor allem von der klaren, kalten luft und den verschneiten bergen beeindruckt. das koennt ihr vermutlich schlecht nachvollziehen, aber an diesem tag hatten wir unseren indischen winter. um noch eins draufzusetzen, kraxelten wir mit budha den berg bis auf 4100m hinauf, hatten ordentlich zu keuchen, und waren damit wirklich auf dem tellerrand tibets - 5 km von der grenze - angekommen. fuer eine temperatur knapp ueber null grad brauchten wir uebrigens acht+vier kleidungsschichten (oben und unten), muetzen, schals, chai mit rum, viel warme suppe und kamen uns dabei ein wenig schwaechlich vor.

changu.

yak.

am freitag verliessen wir gangtok mit dem sammeljeep (wie ueblich 12 passagiere) in richtung tal, vorbei an den obligatorischen, typisch indisch schlecht gereimten warnhinweisen entlang der strasse - "speed thrills, but kills", "fast drive could be last drive" oder auch, etwas sikkimesischer "oh, look at my curves" - einem kleinen waldbrand und mehreren guenstigen unfallgelegenheiten, denen unser fahrer irgendwie immer knapp ausweichen konnte. wir kamen nach zwei wochen zurueck auf den bahnhof von new jalpaiguri, wo man unseren waggon noch schnell an den zug haengen musste, was uns eine gelegenheit zum gespraech mit sanjay, einem bengalischen polizisten gab. der war aus und schwaermte von darjeeling, regte sich aber ausserdem ueber die grassierende korruption auf, die das land arm haelt (fuer einen polizisten ein eher ungewoehnlicher gedankengang) und schenkte uns zum abschied ein buch ueber den besten, reichsten, gruensten und schoensten bundesstaat indiens. sikkim natuerlich.

der sonnabend begann mit einem sonnenaufgang ueber reisfeldern (im zugfenster) und fuehrte uns am nachmittag nach varanasi, das alte benares, die heiligste stadt der hindus, stadt des lichts und shivas, des zerstoerers. nebenbei soll sie auch knapp 5000 jahre alt und somit die aelteste stadt des planeten sein, was man ihrer altstadt mit den schmalen, verwinkelten, autofreien gassen und den kleinen, zwischen die haeuser gedrueckten tempelchen auch ansieht. varanasi ist ein gewirr aus marktstaenden, kleinen laeden, gasthaeusern, moschee- und tempelhoefen, auf- und abgaengen und nie endenden menschenstroemen. nur ein ort in der stadt ist weitlaeufig; das sind die ghats, die heiligen treppen am ufer des noch viel heiligeren ganges, der allerdings im moment von der trockenzeit zu einem relativ kleinen, elb-haften fluesschen degradiert ist.

die heilige stadt und ihr fluss.


am ganges passiert so ziemlich alles, wofuer varanasi beruehmt (oder beruechtigt) ist. schon von weitem sichtbar sind die verbrennungsghats, wo rund um die uhr jene gluecklichen auf dem holzhaufen verbrannt werden, denen es vergoennt war, hier zu sterben. wer in varanasi stirbt, wird naemlich vom kreislauf der wiedergeburten erloest und geht sofort gen nirvana. die von unberuehrbaren totenwaertern am laufen gehaltenen und mit in den umliegenden gassen gestapelten holzvorraeten betriebenen oeffentlichen krematorien sorgen auch fuer den typischen ascheflug, der sich wohl oder uebel ueberall absetzt. allerdings riecht man nichts. nur wenige meter weiter unten baden sich pilger in den heiligen fluten, waschen die frauen die waesche fuer sich und die hotels, spielen die kinder im schlamm des heiligsten und schmutzigsten flusses der welt. ein ehrgeiziges umweltprogramm zur rettung der goettin ganga soll nun endlich angepackt werden und die pilgerfahrt wieder von einem gesundheitsgefaehrdenden zu einem rein spirituellen erlebnis machen.

holzlager an den ghats.

tourismus von seiner boesen seite - naeher ran gehts nicht mehr.

nach diesem kurzbesuch im hektischen varanasi ging es gestern nachmittag schon wieder weiter in richtung westen, nach bhopal, die hauptstadt des mittellandes (madhya pradesh). obwohl in der vergangenheit eine maechtige fuerstenstadt und noch heute ein zentrum des indischen islam, hat bhopal erst am 3. dezember 1984 traurige bekanntheit erlangt. damals entwich aus den werken des amerikanischen konzerns union carbide - mitten in einem dicht besiedelten slum-gebiet gelegen - des nachts eine toedliche wolke giftigen gases. das methylisocyanat, gebraucht fuer die herstellung von pestiziden, toetete mehrere tausend bewohner der stadt direkt in den folgenden stunden. bis heute sind mehrere zehntausend an den spaetfolgen gestorben, hunderttausende leiden noch immer an erkrankungen der atemwege, hirnschaeden, laehmungen, mentalen schaeden oder bringen behinderte kinder zur welt.

auf dem werksgelaende von union carbide.

alter giftschrank in einem nebengebaeude.

die verantwortliche firma - union carbide india - hat, im einklang mit dem amerikanischen mutterkonzern UC, erwiesenermassen grob fahrlaessig gehandelt und so den tod tausender unschuldiger bhopaler, von denen kaum jemand ahnte, was in den tanks der fabrik lagerte, in kauf genommen. mittlerweile gehoert UC zu dow chemical, nach BASF der zweitgroesste chemiekonzern der welt. weder UC noch dow haben jemals ihre verantwortung fuer die katastrophe anerkannt. auch die indische regierung hat sich nicht als anwalt der opfer hervorgetan. zunaechst wurden diese durch ein gesetz zwangsentmuendigt, damit die republik indien gegen UC klagen konnte; spaeter gab man sich mit einem lausigen betrag von 470 millionen dollar als entschaedigung zufrieden und verzichtete auf jegliche weitere forderungen. bhopal wurde so zu einem traurigen mahnmal fuer den ausverkauf indiens und der inder an ruecksichtslose multinationale konzerne, die sich um die menschen einen dreck scheren.


blick aus der fabrik, mitten im bewohnten gebiet.


die todesfabrik indessen steht weiter mitten in bhopal und rostet langsam vor sich hin. grosse mengen giftiger chemikalien sind in den boden eingedrungen und verseuchen bis heute das grundwasser der anwohner, die ueberwiegend von brunnen versorgt werden. offiziell ist das gelaende gesperrt, bis dieses jahr endlich die aufraeumarbeiten (und damit der abriss) beginnen sollen. gegen ein kleines bakschisch schauen die kartenspielenden polizisten am haupttor allerdings gerne weg und so bekamen wir eine kurze fuehrung durch das gespenstisch gruene, stille gelaende im herzen der millionenstadt.


der ehemalige kontrollraum.

die ruinen von union carbide haben etwas von einem hampi der neuzeit. dutzende tanks, rohre, kompressoren, lagerhallen, betriebsgebaeude usw. rosten und faulen vor sich hin, waehrend das areal langsam ueberwuchert und oben in den baeumen friedlich die voegel zwitschern. gleich hinter der betriebsmauer beginnen die mit plasteplanen und latten gedeckten huetten der bewohner, von denen viele die todesnacht selbst miterleben mussten und eltern, geschwister oder kinder verloren. auf dem gelaende selbst spielen kinder ball, jugendliche kricket, ziegen und kuehe grasen - eine perfekte idylle. kaum zu glauben, dass von diesem unscheinbaren, ruhigen, platz der stille tod ausging.


morgen nacht machen wir uns an die letzte etappe der langen reise - via agra (...) zurueck nach delhi. bis sehr bald,
l+j

sink nicht sanft
in die gute nacht
kaempfe, kaempfe gegen
das sterben des lichts


8.3.10

kanchenjunga...

...8586 m.