21.12.09

nach sueden, nach sueden!

blick vom marmorpalast auf die festung meherangarh

hallo! (man spricht hier kein hindi, aber wir kennen das kannada-wort fuer hallo nicht). um einen beitrag gegen die in europa offenbar umgehende schweinekaelte zu leisten, gibts heute mal wieder neues aus dem sonnigen sueden. da sind wir mittlerweile naemlich angekommen. aber von vorn:

unser aufenthalt in der blauen stadt jodhpur zog sich - aufgrund der gemuetlichen unterkunft und einiger anderer dinge - etwas laenger hin als gedacht, insgesamt blieben wir bis sonntag, den 13. da. die erwaehnte hochzeitsparty, eigentlich nur eine art vorfeier, musste ich alleine besuchen, da lenka lieber im bett bleiben wollte. jetzt wollt ihr bestimmt einen ausfuehrlichen, mit blumigen beschreibungen exotischer braeuche und kleidungsstuecke geschmueckten report lesen. pustekuchen.

auf dem basar

ich machte mich am donnerstag abend gegen acht mit nisha, unserer gastwirtin, ihrer tochter, einer finnin und einem franzosen sowie ein paar argentiniern in einer rikscha auf den weg zu einem ausladenden festgelaende am rande der stadt. dieses war aeusserst geschmacklos dekoriert, mit blinkendem und glitzerndem zeugs ueberall, aber dafuer gabs viel und gut zu essen. typisch indische scharfe und fettige speisen, frisch gepresste saefte, leckere suessspeisen. die meisten gaeste schienen auch nur deshalb gekommen zu sein, jedenfalls waren von den vielleicht 400 gaesten (!), die bei unserer ankunft da waren, eine stunde spaeter viele nicht mehr zu sehen.

auf der buehne waren derweile diverse tanz- und gesangseinlagen der cousins und cousinen des braeutigams zu aktueller filmmusik zu erleben. alles rund herum um das junge brautpaar, das auf einer art bunt geschmueckter hollywoodschaukel den ganzen abend herumsitzen musste. beide sahen nicht wirklich zufrieden aus, ausserdem habe ich nie beobachtet, dass sie sich angesehen oder miteinander gesprochen haetten. spaeter kamen die kumpels des braeutigams zu ihm hoch und er tanzte ausgelassen mit ihnen, waehrend seine braut etwas verloren auf ihrer schaukel sitzenblieb.

das brautpaar auf seiner schaukel

die indischen gaeste, allen voran die jungs zwischen 6 und 25, waren von dem ganzen eher langweiligen getue verstaendlicherweise nicht so angetan und beschaeftigten sich lieber mit den auslaendern, vor allem mit der grossen blonden finnin, die viele halb interessierte und halb aengstliche blicke erntete, und mit mir. irgendwie wollten die alle mit mir reden, oder mir was zu essen oder trinken bringen. ungefaehr fuenf mal wurde ich gefragt, ob ich meikeldscheksn kenne und ob er auch mein grosses idol ist. ein aelterer (so alt wie ich) lud mich zu nem "kaffee" ein und redete sich dann sein ganzes leid von der seele. dass er uns europaeer so um unser freies leben beneidet, dass er eine freundin (entfernte cousine) hat, die auch auf der hochzeit ist, die er aber unter den augen seiner familie nicht treffen darf, und so weiter. natuerlich wird er in ein paar jahren die frau heiraten, die sein vater fuer gut befindet (nicht die entfernte cousine, die er liebt). an dem punkt ist mir ehrlich gesagt die lust vergangen, euch ein buntes trallala vorzumalen. das gibts nicht. indische hochzeiten sind eigentlich tieftraurige angelegenheiten, keine feste. so.

coole kids und ich

weil es keinen ordentlichen bus in die berge nach ranakpur gab, dehnten wir unseren aufenthalt aus und kamen - nach dem besuch des marmorpalastes, durch dessen duenne waende an manchen stellen die sonne scheint, sowie des maharadscha-wohnsitzes (eines der groessten gebaeude indiens) - am sonnabend auch noch in den genuss der eigentlichen hochzeitsfeier. die war genauso, nur woanders. die konkrete vermaehlungszeremonie, bestehend aus sieben mal um einen stein laufen und ein paar priesterlichen segen, durften wir allerdings nicht miterleben. nicht, weil wir fremde sind, sondern weil die erst um etwa zwei uhr nachts stattfindet und dann keine rikschas mehr zurueck in die stadt fahren.

festwiese und buehne

sonntag abend stiegen wir in den nachtbus nach udaipur. an sich ganz gemuetlich, da es abgetrennte zweierkabinen zum liegen gibt; allerdings gestaltet sich das schlafen etwas schwierig, wenn man aller paar minuten nach oben springt, weil der bus durch ein schlagloch gefahren ist. am naechsten morgen erreichten wir udaipur.

stadtmusikanten

die stadt am pichola-see war fuer uns aufgrund ihrer lage inmitten gruener berge und am wasser eine angenehme abwechslung, ausserdem ist sie wirklich sauber (fuer indische verhaeltnisse). die fluesse aus den aravalli-bergen um udaipur wurden waehrend der letzten 300 jahre umgeleitet und speisen nun eine reihe von seen, die die landschaft bestimmen. ueber den picholasee selbst wird oft gesagt, er sei ausgetrocknet oder nur noch eine schlammige pfuetze; wir hatten allerdings glueck und konnten ihn mit dem tretboot (paddelboote gabs nicht) befahren.

stadtpalast am see in udaipur

inmitten des sees liegen zwei palastinseln, eine von ihnen beherbergt heute ein fuenf-sterne-hotel - natuerlich darf man da mit dem tretboot nicht anlegen. des abends werden auf nahezu allen dachterassen der stadt kostenlose vorstellungen vom james-bond-film "octopussy" (mit roger moore) gegeben, und zwar weil dieser hauptsaechlich in indien spielt (aber auch in ost-berlin und karl-marx-stadt) und udaipur einer der hauptdrehorte war. ein highlight ist die verfolgungsjagd auf motorrikschas durchs stadtzentrum; aber eigentlich lohnt sich der ganze film. und der taj mahal kommt auch vor.

trocknende fladen

in udaipur uebernachteten wir in einem sehr ruhig gelegenen guest house direkt hinter dem stadtpalast, das von einer blonden hollaenderin und ihrem indischen mann gefuehrt wird. hinten dran ist noch ein gemuetlicher garten, wir liessens uns also wie immer gut gehen. der stadtpalast selber war fuer uns - nach diversen festungen und schloessern in rajasthan - eher unspektakulaer, ausserdem schien jede schulklasse udaipurs gerade wandertag zu haben und diesen im palast zu verbringen. allerdings gabs schoene blicke ueber stadt und see, ein paar ventilatoren aus den dreissiger jahren in den maharana-gemaechern sowie viele langweilige bilder von der grossen udaipurer dynastie, die seit 1500 jahren ununterbrochen an der macht ist und damit die aelteste der welt sein duerfte.

an unserem letzten abend sassen wir noch ein bisschen mit francine (der hollaenderin), ihrem mann dinesh und dem anglo-inder peter auf der dachterasse am feuer. die gespraeche drehten sich um die steigenden preise in udaipur, das kastenwesen, bettler, sowie die seltsamen moralischen welten, in denen inder so leben. kurz gesagt: warum darf in einem bollywood-film nie, aber wirklich NIE ein kuss gezeigt werden, waehrend es fuer indische maenner normal ist, in gegenwart von frauen mitten auf die strasse zu pinkeln oder kacken? warum funktioniert die bahn so verdammt gut, ist aber muellabfuhr oder strassenreinigung ein ding der unmoeglichkeit? warum gibts so viele leute im westen, die ein land, in dem eines der archaischsten, ungerechtesten und daemlichsten gesellschaftssysteme (das kastenwesen) weiterhin existiert und deswegen millionen von leuten aufs betteln angewiesen sind, als paradies auf erden ansehen? undsoweiter. um halb zehn abends ging unser zug in richtung bombay (jetzt mumbai).

als es wieder hell wurde, fuhren wir durch eine gruene, duenn besiedelte kuestenlandschaft. gelegentlich mal eine bucht, ansonsten nur palmen, strohhuetten und reisfelder. irgendwann begannen die siedlungen zu wachsen; aus den stroh- wurden wellblechhuetten und aus den palmen hochhaeuser. wir stiegen in einem vorortbahnhof aus, da kein zug mehr ins zentrum reinfaehrt - die strecken sind einfach zu ueberlastet. also gings mit einem taxi in die innenstadt.

mumbaier original: die kerosin-kuh

in mumbai city angekommen, blieb nicht mehr viel zeit fuer einen stadtrundgang, allerdings fuer einen spaziergang auf der uferpromenade und ne leckere pizza. allerdings vermittelten uns die beiden taxifahrten (die zweite am naechsten morgen) einen guten eindruck ueber die schiere groesse dieser metropole am meer, die mit ihren 30 millionen einwohnern sogar fuer indien riesig ist. nichtsdestotrotz ist mumbai ganz offensichtlich schoener, gruener, irgendwie luftiger als delhi (zumindest die innenstadt), aber fuer unseren reisestil im moment schlicht viel zu teuer.

ausschnitt der zugreservierungsliste

dank der vor ein paar jahren fertiggestellten konkan railway reisten wir am sonnabend ziemlich schnell und sehr bequem weiter nach sueden. der service an bord (selbst in der 3. klasse schlafwagen, die wir ja nutzen) ist der hammer, nahezu minuetlich kommt ein bahnangestellter mit chai, kofi, scharfen und suessen snacks oder wasserflaschen vorbeigehastet. die strecke bahnt sich ihren weg durch konkan, ein spaerlich bewohntes, bergiges kuestenland mit vielen schoenen fluessen, in denen klares wasser fliesst - keine graue, stinkende bruehe wie andernorts.

pause aufm bahnsteig

eine uebernachtung in goa reichte voellig aus, wenn der zug eher angekommen waere, haetten wir auch die nicht noetig gehabt. so waren wir ein paar stunden in madgaon, goas zweitgroesster stadt, die zwar nicht sehr touristisch ist (wie auch, zehn kilometer vom strand entfernt), allerdings trotzdem ueber deutlich zu viele schlecht gekleidete, dicke, krebsrote westliche touristen verfuegt.

und am sonntag erreichten wir dann nach zwei tagen reise endlich den vorlaeufigen endpunkt unserer fahrt, das kleine oertchen gokarna am arabischen meer, ganz im norden des bundesstaates karnataka, dessen einzige amtssprache eben nicht hindi, sondern kannada ist (siehe oben). hier laesst sichs laenger aushalten, es gibt ein paar schoene sandstraende und nicht allzuviele traveller. die meisten weissen, die hier herumlaufen, tragen lange haare und baerte (maenner) oder lange haare und bunte, schlabbrige klamotten (frauen) - einige sehen so aus, als waeren sie hier seit zwanzig jahren. tatsaechlich ist es allerdings so, dass gokarna seit etwa zwei jahrzehnten zum ausweichparadies fuer genervte goa-besucher geworden ist und viele kurz vor weihnachten die straende im norden verlassen und hierher kommen. dazu kommt, dass das staedtchen ein wichtiger wallfahrtsort fuer hindus ist. trotz allem ists hier noch relativ gemuetlich.

sonnenuntergang am arabischen meer

so, wir verabschieden uns in den wohlverdienten weihnachts- und silvesterurlaub am arabischen meer, hoffen auf hoehere temperaturen zuhause und wuenschen euch allen frohe weihnachten und ein schoenes neues jahr - žohnowane hody a strowe nowe lěto!

9.12.09

rajasthan II - in die blaue stadt

namaste! unser weg durch rajasthan hat uns mittlerweile in die naechste travellermetropole, die naechste top-touri-destination gefuehrt, und zwar nach jodhpur, die "blaue stadt" am ostende der grossen wueste thar. aber der reihe nach.

letzten donnerstag dinnierten wir im (oder besser auf dem) besten haus am platz, womit nicht unbedingt die preis- oder geschmacksklasse, sondern vor allem die hervorragende lage gemeint ist. das "jaisal italy" befindet sich auf und in den breiten mauern am ersten tor der jaisalmerer festung und hat daher vor allem abends und nachts eine wunderbare kulisse fuer romantische kerzenlichtdinner. um das noch zu ueberbieten, nahmen wir am einzigen tisch hoch oben auf dem wehrturm des stadttores platz und speisten also wie die koenige.

romantik pur: kerzenlichtdinner in jaisalmer

leider stellte sich die kaesesauce im nachhinein als gemeingefaehrlich fuer meinen magen heraus und wir blieben infolgedessen noch zwei tage laenger in jaisalmer. keine details.

am sonnabend schoben wir als kleines alltagshighlight den besuch eines indischen postamtes ein und wurden als einzige kunden erst einmal auf einen chai eingeladen. "first we drink chai together, then we do your stamps". der chai war natuerlich kostenlos, die zehn postkarten - airmail nach deutschland - kosteten uns insgesamt zwei euro zehn. fazit: von indien lernen heisst siegen lernen.

blick vom "sunset point" ueber jaisalmer

am sonntag verliessen wir jaisalmer mit einem bus einer privaten gesellschaft. die sind viel bequemer als die staatlichen (zum beispiel verfuegen sie ueber eine federung und polstersitze) und kosten auch nicht mehr. am fenster zogen fuenf stunden lang abwechselnd kleine doerfer, sandduenen und trockenes buschland vorueber.

in jodhpur erwartete uns bereits die rikscha vom guest house "heaven" (yer, we stay in heaven!), das seinem namen wirklich alle ehre macht und einfach nur als die freundlichste, gemuetlichste, beste unterkunft bezeichnet werden kann, die wir bisher hatten. betrieben wird es von einer jain-familie, die alles tut, um dem gast einen schoenen aufenthalt zu bereiten, und das fuer fuenf euro pro nacht. was fuer fragen auch immer man hat, es wird einem geholfen; auf dem dach gibts ein kleines restaurant mit blick auf die gigantische festung und fuer morgen wurden wir zu einer hochzeit eingeladen. das wird lustig.

die jains sind uebrigens eine glaubensgemeinschaft, die gewalt voellig ablehnt. ihre priester tragen fuer gewoehnlich gesichtsmasken, um das einatmen von kleinen insekten zu verhindern. manche laufen sogar mit kleinen besen durch die stadt, um ihren weg von kleinen tieren zu saeubern und diese damit vor dem tod zu bewahren. ihr beruehmtester vertreter ist gandhi hoechstpersoenlich.

aussicht von unserer dachterasse

am montag schlaengelten wir uns durch die engen gassen der blauen stadt, die ihren namen von der blauen farbe ihrer haeuser hat. indigo ist naemlich gut gegen termiten. ein steiler fussweg fuehrte uns zum haupttor der gewaltigen festung von jodhpur, meherangarh, die aehnlich der potala in lhasa wie ein riesiges schiff auf einem steilen bergkamm ueber der stadt thront und auch gut in mittelerde stehen koennte.

die blaue stadt

die festung zeugt mit ihrer wucht und der reichen innenausstattung ziemlich gut von der vergangenen macht der hiesigen maharajas, die bis 1949 herrschten. der maharaja von jodhpur ist immer noch ein reicher mann, und dazu noch ein kluger. in den siebzigern gruendete er eine denkmalschutz-stiftung, die sich heute um meherangarh und zahlreiche andere palaeste und festungen in der umgebung kuemmert. so ist die jodhpurer festung auch die einzige mit einem wirklich vorbildlichen audio-guide fuer besucher (sogar auf deutsch) und alles in allem sehr gut erhalten.

impressionen aus der festung und ihren palaesten

von den hohen mauern des forts bietet sich ein blick ueber die gesamte metropole - jodhpur hat mehr als eine million einwohner - bis zu den umgebenden bergen.

am gestrigen dienstag statteten wir dem hiesigen basar einen besuch ab, auf dem es von gewuerzen, fruechten und gemuese ueber toepfe, pfannen, barbiepuppen und handys bis hin zu ashish und charas eigentlich alles zu kaufen gibt, was man braucht oder auch nicht. ausserdem kamen wir in den genuss eines sehr leckeren papaya-apfel-banane-rosenblueten-milchshakes, der gute chancen hat, das bisher leckerste erzeugnis indischer saftlaeden zu sein. lag vielleicht an den rosenblueten, von denen ich bis jetzt noch nicht wusste, dass sie ueberhaupt essbar sind.

derweile ich hier sitze, und sonst auch fuenf, sechs mal am tag, ziehen bunte hochzeitsparaden durch die altstadt, immer ausgestattet mit einer grossen blaskapelle, vielen lichtern, einem braeutigam hoch zu ross und der obligatorischen rikscha am ende, die den dieselgenerator fuer die beleuchtung zieht. morgen gehts also zur hochzeitsfeier selbst, vermutlich wird das ein riesenereignis.

auf den daechern von jodhpur

wir bleiben noch bis freitag in der blauen stadt und ziehen dann weiter, etwas abseits der ausgetretenen pfade, in die bewaldeten berge suedoestlich von hier. dort liegt in einem tiefen tal am see das oertchen ranakpur, fuer uns die vorletzte station in rajasthan.

gruesse in die lausitz!
j+l